Beim Thema Sicherheit auf den Straßen liegt Europa im internationalen Vergleich ganz vorn. Tödliche Unfälle mit Kraftfahrzeugen, Fahrrädern, oder als Fußgänger im Straßenverkehr, sind in den europäischen Ländern seltener als fast überall sonst auf der Welt.

Sicher durch den Herbst

Dennoch hat Europa Grund zur Sorge. Dies zeigt eine Analyse von Daten, die von Motointegrator, einem Online-Händler für PKW-Ersatzteile, bei den Daten experten von DataPulse in Auftrag gegeben wurde. Über Jahre wurden Anstrengungen unternommen, um die Sicherheit auf den Straßen zu verbessern. Durch die Pandemie wurde der Straßenverkehr insgesamt stark eingedämmt, die Zahlen haben sich wegen dieser Faktoren positiv entwickelt. Doch nun zeigen die Zahlen ein uneinheitliches Bild.

So ist seit dem Ende der Pandemie die Entwicklung in einigen Regionen rückläufig. Die Anstrengungen, die Straßensicherheit zu verbessern, zeigen offenbar nicht mehr dieselbe Wirkung. Denn viele Länder befinden sich nach wie vor auf dem Level von 2019, oder sogar noch darüber: Frankreich, Italien und Spanien haben jährlich mehrere Tausend Verkehrstote zu beklagen. In Ländern wie Estland, Irland, Litauen, der Niederlande, Norwegen, Slowakei, Schweden und der Schweiz fallen jährlich immer noch mehrere Hundert Menschen tödlichen Verkehrsunfällen zum Opfer.

„Die steigende Anzahl der Verkehrstoten in manchen Ländern zeigt uns, dass die zum Teil hart erarbeiteten Fortschritte in besorgniserregender Weise ins Gegenteil verkehrt wurden”, so Anna Ganska, CEO von Motointegrator. „Diese Daten führen uns schmerzlich vor Augen, dass es ein ständig andauernder Kampf ist, die Anzahl der Verkehrstoten zu senken. Damit Europa auch weiterhin ein leuchtendes Beispiel bei der Sicherheit im Straßenverkehr ist, müssen wir wachsam und anpassungsfähig sein.”

In manchen Ländern dagegen entwickeln sich die Verkehrstotenzahlen weiterhin positiv, das heißt in Richtung weniger Tote. Wir werfen einen genaueren Blick darauf, wie sich die gesamte Situation der Straßensicherheit in der EU entwickelt hat.

Motointegrator verwendete Daten aus einer Vielzahl von Quellen, um die Länder Europas detailliert zu vergleichen. Die interaktive Grafik zeigt, in welchen Ländern die Zahl der Verkehrstoten im Vergleich zur Zeit vor der Pandemie steigt und in welchen sie sinkt. Die Länder in Rot hatten im Jahr 2023 eine höhere Anzahl an Todesfällen als im Jahr 2019, während die Länder in Blau eine geringere Anzahl aufwiesen. (Diese Veränderung basiert auf der absoluten Anzahl der Todesfälle, nicht auf den Pro-Kopf-Todesraten). Die Grafik zeigt zudem, wie die Länder aktuell im Vergleich zueinander stehen, bezogen auf die Gesamtbevölkerung: von links (niedrige Todesrate) nach rechts (hohe Todesrate). Die Zahlen für 2023, die aus der Community-Datenbank für Straßenverkehrsunfälle (CARE) der Europäischen Kommission stammen, sind vorläufig.


Die Grafik zeigt, dass zwischen drei Gruppen von Ländern unterschieden werden kann. In der ersten Gruppe finden sich die ‚Rückfälligen‘. Länder aus dieser Gruppe, wie zum Beispiel Irland, die Schweiz und Norwegen (Quadrant oben links), verzeichneten das deutlichste Wachstum bei der Zahl der Verkehrstoten. Gleichwohl haben diese Länder insgesamt die niedrigsten Raten in der Region. Es steht außer Frage, dass steigende Zahlen an Verkehrstoten für alle Länder schlecht sind. Es ist jedoch zu bedenken, dass bei einer niedrigen Ausgangsbasis leichte Steigerungen der Zahlen überproportional groß erscheinen.

Des Weiteren sind ‚Übergangsländer‘ zu sehen. Dies sind Länder, die einerseits die meisten Verkehrstoten zu beklagen haben, sich andererseits jedoch in Richtung weniger Verkehrstoten entwickeln. Unter ihnen sind Rumänien, Bulgarien, Kroatien, Griechenland, Portugal und andere Länder aus dem rechten unteren Quadranten des Schaubildes. Prozentual sterben zwar die meisten Menschen aus diesen Ländern im Straßenverkehr, deren Gesamtzahl liegt aber dennoch unter der von 2019.

Im unteren linken Quadranten finden sich die eigentlichen Taktgeber. In diesen Ländern konnten die Zahlen, obwohl insgesamt gesehen schon im Vergleich am niedrigsten, seit 2019 noch weiter gesenkt werden. Die verkehrstechnischen Vorzeigeländer, wie zum Beispiel Dänemark, Deutschland und Finnland, führen das Feld bei der Sicherheit im Straßenverkehr deutlich an. Gleichzeitig zeigt die Tendenz weiterhin nach unten, wodurch diese Länder ihre Spitzenposition noch weiter ausbauen können.

Die Sicherheit im Straßenverkehr kommt in Schwung

Um zu zeigen, wie sich die Sicherheit im Straßenverkehr in Europa entwickelt hat, verwendete Motointegrator Daten aus dem letzten Vierteljahrhundert, beginnend mit dem Jahr 2000,. Die Zahl der Verkehrstoten in Europa sank von 2000 bis 2019 um 50 Prozent, während der weltweite Schnitt lediglich minus 13 Prozent betrug, wie jüngst aus den globalen Daten der World Health Organization zu erfahren war.

In den Zeiten vor der Pandemie – durch die sich die Gesamtsituation im Straßenverkehr gewaltig änderte – waren auf dem europäischen Festland nur acht Verkehrstote auf 100.000 Einwohner zu beklagen. Im Gegensatz dazu betrug die Todesrate weltweit mehr als das Doppelte, nämlich zirka 17 Tote auf 100.000 Einwohner. In jedem Land Europas, außer Bosnien und Herzegowina, ist die Rate niedriger.

Das interaktive Schaubild, mit den sinkenden Zahlen über den Zeitraum von 20 Jahren, zeigt Europa als eine Region mit gewaltigen Fortschritten bei der Sicherheit im Straßenverkehr. Diese übertreffen auch andere entwickelte Regionen der Welt, wie Amerika oder Ozeanien.


Das bemerkenswerteste Detail dieser Betrachtung ist der Umstand, dass – obwohl in diesem Zeitraum der Anteil der Verkehrstoten stetig sank – mehr und mehr Fahrzeuge im europäischen Straßenverkehr unterwegs sind. In jedem der 35 Länder, in denen diese Daten erhoben werden und verfügbar sind, ist anhand der Daten von Eurostat zu sehen, dass die Anzahl der Autos von 2000 bis 2019 gestiegen ist.

Das größte Fahrzeugwachstum ist in mittel- und osteuropäischen Ländern, wie zum Beispiel Albanien und Rumänien, aber auch der Türkei zu sehen, wie die untenstehende Grafik zeigt. Die Anzahl der Autos pro Einwohner hat sich dort mehr als verdoppelt. Dabei ist zu bedenken, dass in diesen Ländern im Vergleich zu Westeuropa eine deutlich kleinere Anzahl an Autos pro Einwohner existierte. In immerhin fast zwei Dritteln der Europäischen Länder kam bis zum Jahr 2019 mindestens ein Auto auf zwei Einwohner.


Stockende Fortschritte

Die Fortschritte bei der Sicherheit im europäischen Straßenverkehr haben ein Problem. Die Rate konnte keinen kontinuierlichen Rückgang im Laufe der zwei Jahrzehnte verzeichnen. Es schien vielmehr, als hätte jemand dem Trend im Jahr 2013 abrupt Einhalt geboten; der Kontinent verzeichnete gleichbleibende Zahlen in der Höhe von etwa 23.000 Verkehrstoten pro Jahr. Die Europäische Kommission fühlte sich dadurch angeregt, im Jahr 2018 einen Aktionsplan ins Leben zu rufen. Das Ziel dieses Plans war, bis zum Jahr 2030 die Zahl sowohl der Verkehrstoten als auch der Schwerverletzten in den EU-Ländern um die Hälfte zu reduzieren.

Durch die Auswirkungen der Pandemie sanken die Zahlen der Verkehrstoten auf Tiefststände. Dieser Rückgang war allerdings nicht den Verbesserungen des Straßennetzes oder einer sichereren Fahrweise der Fahrzeugführer geschuldet, sondern einzig dem insgesamt zu sehenden Rückgang im Straßenverkehr. Das gemeinsame wissenschaftliche Zentrum der Europäischen Kommission veröffentlichte im vergangenen Jahr eine Studie aus 178 Städten zu Trends im Straßenverkehr. Eine Erkenntnis war, dass die Verkehrsdichte zum Ende des Jahres 2022 immer noch moderat war im Vergleich zu 2019, weil viele Menschen nach wie vor im Home-Office arbeiten.

Im untenstehenden Schaubild sind Daten aus der Vergangenheit dargestellt, die von Eurostat und aus Schätzungen der Europäischen Kommission stammen. Sie zeichnen ein uneinheitliches Bild.


„Die Pandemie ermöglichte uns einen nie zuvor dagewesenen Einblick in eine Welt mit deutlich weniger Unfällen“, gibt Anna Ganska zu Protokoll. „Wir beginnen jetzt erst, zu verstehen, wie die Situation bei den Zahlen der Verkehrstoten aussehen könnte, während wir uns im Übergang auf die nach-pandemische Normalität befinden.”

Am Scheideweg

Wenn die Pandemie als Grund dafür gesehen werden kann, dass die Zahl der Verkehrstoten in den letzten Jahren gesunken ist, dann ist letztlich wieder mit einem Anstieg in der nach-pandemischen Zeit zu rechnen, anstatt dass der Trend weiter nach unten zeigt. Warum ist das so? Eine Studie des gemeinsamen wissenschaftlichen Zentrums zeigt, wie sich Verkehr und Verkehrsdichte auf Straßen und Autobahnen schon bald wieder auf dem Stand von 2019 einfinden könnten, weil mehr und mehr Menschen zurück aufs eigene Auto umsteigen.

Erschwerend kommt hinzu, dass die Fortbewegung zu Fuß oder mit dem Fahrrad ebenfalls einem Wachstumskurs folgt, während der öffentliche Nahverkehr und Mitfahrgelegenheiten weniger beliebt sind. Aus dem Anteil der Verkehrstoten je Verkehrsmittel aus 2022 lässt sich schließen, dass die heutzutage gängigen Verkehrsmittel im Vergleich dazu gefährlicher sind. Tödliche Unfälle mit dem Fahrrad kommen 15-mal häufiger vor als mit dem Reise- oder Linienbus. Bei Fußgängern ist die Zahl indes 30-mal so hoch, doch beim Auto kommt die Zahl der Verkehrstoten auf einen Faktor von fast 75.

„Wir dürfen auf keinen Fall übersehen, wie sich die Präferenzen im Straßenverkehr durch die Pandemie verändert haben“, sagt Ganska. „Durch den Aufwärtstrend beim Zu-Fuß-Gehen, beim Fahrradfahren und beim Individualverkehr mit dem Auto stehen wir neuen Herausforderungen im Verkehr gegenüber. Gleichzeitig bieten sich uns Möglichkeiten, die Maßnahmen zur Sicherheit neu zu überdenken, um den Straßenverkehr einfacher zu gestalten”.

Genau wie vor der Pandemie ist Europa der Kontinent mit der höchsten Straßensicherheit. Auch heute noch sind die Zahlen der Unfallopfer kleiner als anderswo. Durch die Pandemie wurde es allerdings ungleich schwieriger, die Erfolgsaussichten bei der Sicherheit vorauszusagen. Während viele Menschen sich an neue Formen der Fortbewegung gewöhnen, werden sich die Länder auch weiterhin bemühen, mit neuen Maßnahmen sicherzustellen, dass der Trend weiter in die richtige Richtung geht.

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