Autoparadies Deutschland? So autofreundlich sind unsere Städte wirklich
Mehr Auto, weniger Auto, Elektroauto – die Mobilitätswende wird hierzulande heiß diskutiert. Doch wie sehr ist die deutsche Infrastruktur wirklich auf Pkw ausgerichtet?
Das Auto ist ein fester Bestandteil der deutschen Kultur, Wirtschaft und Identität. Die Infrastruktur des Landes – von Parkplätzen über Tankstellen bis hin zu Autowerkstätten – spiegelt diese tief verwurzelte Verbindung wider. Im Zuge der grünen Transformation stellt sich nun auch in Deutschland immer mehr die Frage, welche Rolle der Pkw in der Mobilität der Zukunft spielen soll. Häufig wird dabei diskutiert, wie viel Raum dem Auto gewidmet ist, etwa für Straßen – ein wichtiger Aspekt, aber nicht die ganze Geschichte.
Das zeigt eine neue, datengestützte Studie von Motointegrator und den Marktforschungsexperten von DataPulse Research. Sie bietet wertvolle Einblicke, welche Städte den größten Komfort für Autofahrer:innen bieten – und welche möglicherweise die größten Herausforderungen bei der Umstellung auf eine nachhaltige Mobilität haben.
Was wurde untersucht?
Das Forschungsteam verglich die Autofreundlichkeit deutscher Städte auf Basis eines neu entwickelten „Autofreundlichkeits-Scores”. Der Indikator setzt die Anzahl von Parkeinrichtungen, Werkstätten, Zubehörgeschäften, Tankstellen, Autohändlern und vielen weiteren Autofachdiensten innerhalb einer Stadt bzw. Gemeinde ins Verhältnis zur Anzahl ihrer Bewohner:innen. Je höher der Score, desto autofreundlicher die Stadt. Berücksichtigt wurden dabei insgesamt mehr als 160.000 Autoservices in allen deutschen Gemeinden ab 10.000 Einwohner:innen. Essentielle Dienstleistungen wie Tankstellen und Werkstätten wurden dabei stärker gewichtet als andere.
Ab 100.000 Einwohner:innen: Kaiserslautern, Hanau und Heilbronn sind besonders autofreundlich
Wer als Autobesitzer:in in einer der 83 deutschen Großstädte (ab 100.000 Einwohner:innen) leben möchte, ist tendenziell in kleinen Großstädten wie Kaiserslautern oder Hanau am besten aufgehoben. Die zehn Großstädte mit dem höchsten “Autofreundlichkeits-Score” haben maximal 130.000 Einwohner:innen, wie die Auswertung zeigt.
Die wenigsten Autodienstleistungen pro Kopf finden sich dagegen eher in den größeren Großstädten. München und Essen schneiden hier am schlechtesten ab. Münster ist die einzige Stadt unter den “Bottom 10”, die weniger als 500.000 Einwohner:innen hat. Das passt zum Image der Studentenstadt, die wiederholt als fahrradfreundlichste Stadt Deutschlands ausgezeichnet worden ist.
Der Trend unter den Großstädten ist eindeutig: Je größer die Stadt, desto weniger Autoservices stehen pro Kopf zur Verfügung. Dies lässt sich, zumindest in Teilen, mit der hohen Bevölkerungsdichte in den größten Städten erklären. Wo viele Menschen auf wenig Raum leben, ist im Verhältnis weniger Platz für Werkstätten, Parkplätze und Ähnliches. Dabei gibt es interessante Ausnahmen. Hamburg etwa, die zweitgrößte Stadt in Deutschland, ist ähnlich autofreundlich wie Freiburg oder Potsdam.Das vollständige Ranking der 83 Großstädte ist unten angehängt.
Ab 500.000 Einwohner:innen: Hamburg und Düsseldorf sind die autofreundlichsten großen Großstädte
Vergleicht man nur die größten deutschen Städte ab 500.000 Einwohner:innen miteinander, führt Hamburg das Ranking mit dem höchsten Autofreundlichkeits-Score an, dicht gefolgt von Düsseldorf und Dresden. München hingegen landet auf dem letzten Platz, hinter Essen und Frankfurt am Main.
Mittelstädte bieten Autobesitzer:innen am meisten
In mittelgroßen Städten (zwischen 20.000 und 100.000 Einwohner:innen) gibt es weitaus mehr Mechaniker, Werkstätten und andere Autopflegedienste pro Kopf., als in sehr kleinen oder sehr großen Städten. Die großen Großstädte schneiden – erwartungsgemäß – besonders schlecht ab.
Überraschende Auto-Hotspots: Eschwege und Reichenbach im Vogtland
Um Städte gemäß ihrer Größe fairer miteinander zu vergleichen – also etwa Berlin mit Hamburg und Stuttgart, Flensburg mit Weimar und Schwäbisch Gmünd – wurde eine zusätzliche Analyse durchgeführt. Der Autofreundlichkeits-Score einer Stadt wurde ins Verhältnis zum mittleren Wert (Median) ihrer Gruppe gesetzt. So lässt sich darstellen, welche Städte im Verhältnis zu ähnlich großen Städten eher über- oder unterversorgt sind mit Autoservices. Die Unterschiede zwischen den größten Städten ab 500.000 Einwohner:innen sind vergleichsweise gering, wie die recht enge Verteilung um den Medianwert der Gruppe zeigt. Die Bandbreite der Autofreundlichkeits-Scores wird bei den kleineren Städten zunehmend größer. Die autofreundlichste Stadt im Vergleich zu ihrer Gruppe ist Eschwege.
Deutschland ist Autoland – aber nicht überall gleichermaßen
In Hamburg ist es deutlich bequemer, ein Auto zu haben, als in München, und Kaiserslautern läuft Kiel und Münster den Rang ab – die Motointegrator-Studie zeigt, dass es in Sachen Autofreundlichkeit große Unterschiede zwischen den Städten gibt. Manche Städte bieten einen einfachen Zugang zu autorelevanten Dienstleistungen, während andere unterversorgt sind. Tendenziell ist die Pro-Kopf-Versorgung in Mittelstädten und kleinen Großstädten am besten. Die größten Städte schneiden, vermutlich wegen ihrer hohen Bevölkerungsdichte, in der Regel eher schlecht ab.
Die grüne Transformation muss Nachhaltigkeit und Bedürfnisse von Autofahrern vereinbaren
Die Studie zeigt, wo die Autokultur in Deutschland am stärksten verwurzelt ist – gemessen an den verfügbaren Services rund ums Auto. In Großstädten, die in der Regel über mehr alternative Mobilitätsangebote verfügen, gibt es tendenziell weniger Autokomfort, genauso in den kleinsten untersuchten Gemeinden mit 10.000 bis 20.000 Einwohner:innen. Die Analyse zeigt, wie wichtig es ist, die Debatte um die Mobilitätswende differenziert zu führen. Die Infrastruktur mancher Städte ist stärker auf Autos ausgerichtet als die anderer – auch jenseits von Straßen und Fahrradwegen.
"Wir müssen uns fragen, ob die Autodienstleistungen in Deutschland mit den Zielen unserer Gesellschaft im Einklang stehen. Während wir die grüne Transformation vorantreiben, können wir Erkenntnisse wie diese nutzen, um die Bedürfnisse unserer Städte besser zu verstehen und den Wandel gezielt zu gestalten."
Anna Ganska
CEO von Motointegrator
Notizen zur Methodik
Die Dienstleistungen rund ums Auto wurden in 8 Kategorien unterteilt::
Autopflege: Mechaniker, Ersatzteillieferanten, Werkstätten für Fenster- und Reifenreparaturen, Tune-up- und Inspektionseinrichtungen usw.
Kraftstoff: Tankstellen und Tankstellen für alternative Kraftstoffe
Parken: Stellplätze und Garagen
Verkauf: Gebrauchtwagen- und Neuwagenhändler
Vermietungen: Mitfahrgelegenheiten und Autovermietungen
Ausbildung: Auto- und Lkw-Fahrschulen
Kosmetische Dienstleistungen/Zubehör: Autopflege und -verpackung, Polsterer, Elektronikgeschäfte, Autowaschanlagen, Alarmanlagen- und Stereoanlagengeschäfte usw.
Berechnung des Autofreundlichkeits-Scores: Für jede Gemeinde wurde der gewichtete Durchschnitt der fahrzeugbezogenen Dienstleistungen berechnet. Am stärksten gewichtet wurden Kraftstoff, Parken und Autopflege, da dies essentielle Dienstleistungen sind. Eine mittlere Gewichtung wurde dem Bereich Verkauf zugewiesen, da die meisten Händler neben dem Verkauf des Fahrzeugbestands auch Tune-ups und Reparaturen anbieten. Die niedrigsten Gewichtungen wurden den anderen Kategorien zugewiesen, da sie für die regelmäßige Nutzung des Autos und die laufende Wartung weniger wichtig sind. Diese gewichtete Durchschnittsberechnung ergab einen „Autofreundlichkeits-Score“.
Datenerhebung: Die Daten wurden mithilfe der Google Maps API gesammelt und umfassen mehr als 160.000 Einrichtungen. Die Daten wurden mithilfe der Google Maps API gesammelt und umfassen geografische Informationen zu über 160.000 Parkeinrichtungen, Werkstätten, Zubehörgeschäften, Tankstellen, Autohändlern und weiteren Autofachdiensten in mehr als 5.000 Gemeinden deutschlandweit. Alle Einrichtungen waren im Dezember 2024 in Betrieb. Diese Daten wurden mit Bevölkerungsstatistiken des Statistischen Bundesamts ergänzt und beziehen sich auf Gemeinden mit mindestens 10.000 Einwohner:innen.
Gruppierung der Gemeinden: Die Gemeinden wurden nach ihrer Bevölkerungszahl gruppiert:
≥ 500.000
≥ 100.000
≥ 50.000
≥ 30.000
≥ 20.000
> 10.000
Vergleich und Normalisierung: Für jede Bevölkerungsgruppe wurde der Medianwert für den Autofreundlichkeits-Score ermittelt. Der individuelle Autofreundlichkeits-Score jeder Gemeinde wurde dann mit dem Medianwert der entsprechenden Gruppe verglichen. Auf diese Weise konnte jede Gemeinde anhand der Abweichung vom Median eingestuft werden. Gemeinden mit einem über dem Median liegenden Pkw-Angebot wiesen einen positiven Abweichungswert auf, während Orte mit einem unter dem Median liegenden Pkw-Angebot einen negativen Abweichungswert hatten. Um eine landesweite Karte zu erstellen, wurden die Abweichungswerte auf einer Perzentil-Skala normalisiert. um die relative Stellung innerhalb jeder Bevölkerungsgruppe darzustellen.